Als mein Vater um 10.30 Uhr in unserer Praxis erschien und aufgeregt berichtete, auf unserem Grundstück habe sich jemand erhängt, war der Schock riesig.
Wir versuchten vergeblich den Arzt, meinen Chef, zu erreichen.
Daraufhin fuhr ich mit meinem Vater zum
Grundstück, während meine Chefin die Polizei
benachrichtigte.
Wir vermuteten, der Tote sei ein Freund meines älteren Sohnes, der den 1.Mai mit seiner Clique auf dem Grundstück gefeiert hatte.
Während mein Vater schluchzend die armen Eltern des toten Jungen bedauerte, ging ich zur angegebenen Stelle....
Ich sah durch das Blattwerk die Schuhe, die Jeans, den Pullover..........mein Herz setzte aus
Nils!!!!!!!!!!!!!! unser Nils !!! das ist unser Nils
Ich konnte nicht aufhören zu schreien.........
Ich lief zu ihm hin, hob ihn hoch um den Zug
des Seils zu entlasten, aber er war tot.
Kalt.
Sein Gesicht war starr.
Seine dunklen Augen mit wunderschönen
langen Wimpern ausdruckslos.
Er war tot. Tot. Tot. Mein geliebtes Kind.
Warum ??????
Ich streichelte und küßte mein totes Kind, versuchte immer wieder ihn zu wärmen, aber er ist tot.
Tot.
Nicht mehr am Leben.
Mein Kind ist tot.
Ich glaub das nicht.
Das kann nicht sein.
Irgendwann, eine Ewigkeit später kommen
Arzt und Polizei. Ob wir denn nichts bemerkt hätten?
Mein Gott, was bedeutet das alles? Warum?
Warum?Was war so schlimm, dass er nicht
mehr leben wollte.
Die versetzungsrelevante Chemiearbeit sollte an diesem Morgen geschrieben werden.Wenn er diese Klausur nicht schaffen würde, müsste er die Schule verlassen.Seine Zukunftspläne und Träume - alles wäre vorbei. Tagelang hatte er alles noch mal wiederholt.
"Das schaffst Du schon" hatte der Lehrer zu ihm gesagt.
"Das schafft der sowieso nicht, der kann sich seine Versetzung in die Haare schmieren", hatte der Lehrer einem Klassenkameraden gesagt.
Wie lange wusste Nils das schon?
Wann hat er seinen Tod geplant?
Die Abschiedsbriefe, die mein älterer Sohn am übernächsten Tag fand, muss Nils schon abends zuvor geschrieben haben.
Als er morgens das Haus verliess, wusste er schon, dass er nicht mehr lange leben würde?
Als er mich abends zuvor bat, seinen Freund Toddy nach Hause zu fahren und uns - völlig unüblich- begleitete, stand es da schon fest?
Oder hat er denEntschluss erst in der Nacht gefasst, als ihm klar wurde, dass er am nächsten Tag scheitern würde?
Hat er Schmerzen gehabt, hat er gelitten, hat ihn in den letzten Sekunden seines Lebens Angst gepackt oder Selbsterhaltungstrieb?
Hat er versucht der Schlinge zu entkommen?
Quälende Fragen, auf die wir nie eine Antwort
bekommen werden......